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Über Dr. med. Friedrich Jahn Sein Einsatz für Schmalkalden zum Kriegsende im April 1945

Nur noch wenige heute lebende Schmalkalder erinnern
sich an den unscheinbaren, zurückhaltenden
und immer akkurat gekleideten Mitbürger: Dr. med.
Friedrich Jahn war hochgeschätzt – doch dass er seine
Heimatstadt durch seinen mutigen Einsatz am Ende
des Zweiten Weltkriegs vor der Zerstörung bewahrte,
ist schon fast vergessen. Nur durch Zufall stieß der
Verfasser im Stadt- und Kreisarchiv Schmalkalden
auf einen Bericht der Tageszeitung „Freies Wort"
aus dem Jahre 1965, der die dramatischen Ereignisse
zwischen dem 1. und 4. April 1945 schildert. Auf
seinen am 22. Februar 2012 veröffentlichten Artikel
meldeten sich viele ältere Bürger, die dem Verfasser
weitere wertvolle Hinweise lieferten. Zugleich gelanges, die Spur der Nachfahren des Arztes ausfindig zumachen. Anlässlich des  70. Jahrestages des Kriegsendes in Schmalkalden, am 3. April 2015, soll das damalige Geschehen hier wiedergegeben werden.

Thüringen, im Frühjahr 1945.
Die Alliierten rücken immer weiter vor; amerikanische und britische Bomber
zerstören Stadt um Stadt. Auch die thüringische Kreisstadt Schmalkalden
steht auf ihrer Abschussliste, da hier wie im benachbarten Suhl oder Gotha
Rüstungsbetriebe arbeiten. Bereits am 20. Juli 1944 erfolgt der erste Luftangriff,
der zweite am 6. Februar 1945. Zahlreiche Straßen, 64 Häuser und einige
Betriebe werden zerstört, es gibt Tote und Verletzte – aber die Stadt überlebt.
Ende Februar erklärt das nationalsozialistische Regime den Ort zum Lazarettschwerpunkt;
Schmalkalden erhält dadurch den internationalen Status einer
offenen, unter dem Schutz der Genfer Konvention stehenden Stadt. Lazarettzüge
bringen von der näher rückenden Front immer mehr Verwundete, schnell
wächst ihre Zahl auf 1150 an. Das Krankenhaus ist überfüllt, die Oberschule
dient als Hilfslazarett. Beides bleibt ausschließlich dem Militär vorbehalten;
die Zivilbevölkerung wird provisorisch im „Hotel Krone" am Altmarkt medizinisch
betreut. Anfang März müssen Verletzte auch außerhalb der Stadt versorgt werden.

Sonnabend, 31. März.

Jahn erhält aus Weimar per Funk den Befehl:
Alle Kranken sind sofort in Richtung Osten in den Marsch zu setzen; die Transportfähigen sind in Eisenbahnwaggons oder sonstigen Transportmittel nach Osten abzutransportieren.
Der Chefarzt hat sich mit dem Personal anzuschließen. Bei den
nicht transportfähigen Verwundeten bleibt nur so viel Personal zurück, wie zu
ihrer Versorgung unbedingt erforderlich ist."Der verantwortliche Schmalkalder Chefarzt Friedrich„Alle marschfähigen KrankenDer Arzt weiß sofort, was dieser Befehl bedeutet: den Tod zahlreicher Verwundeter.
Auch die Versorgung der Zurückbleibenden ist schwer gefährdet. Das
Leben seiner Patienten sinnlos aufs Spiel zu setzen, kommt für den 56-Jährigen
auf Grund seiner humanistischen Überzeugung, stets den Menschen zu helfen,
nicht in Frage. Schon frühzeitig, als die amerikanischen Truppen noch weit
weg von Schmalkalden standen, hat Jahn auf dem Dach und aus den Fenstern
des Krankenhauses weiße Bettlaken als Friedenszeichen setzen lassen. Auch
an seinem Privathaus hängen weiße Tücher. So widersetzt er sich dem Transportbefehl
und gibt bekannt: „Alles bleibt hier bei den Kranken!"Kurz darauf teilt ihm der Leiter des Wehrmeldeamtes Schmalkalden, Oberstleutnant
Wilke, telefonisch mit, NSDAP-Kreisleiter Preiser habe die "Rundum-
Verteidigung" der Stadt mit Ausheben von Schützen- und Panzergräben
angeordnet. Auch als Nichtmilitär erkennt Jahn, dass dies die Vernichtung der
ganzen Stadt sowie zahlreicher umliegender Dörfer zu Folge hätte. Tausende
Menschen schweben in Lebensgefahr. Er weiß, die anrückenden alliierten
Truppen stehen bereits im Werragrund. Bei Widerstand erkämpfen sie ihren
Einmarsch mit Bombardierungen, Artilleriefeuer und Panzerattacken.
Gegen 16 Uhr versucht Jahn, Landrat Otto Recknagel sowie Kreisleiter Preiser
zu erreichen. Vergeblich. Gegen 17 Uhr teilt ihm Ortsgruppenleiter Münch am
Telefon mit, die Oberen seien nicht zu sprechen. Jahn ist außer sich:
Sie Ihren Vorgesetzten, dass ich alle persönlich dafür haftbar mache, wenn
Schmalkalden bombardiert wird!"„SagenGegen 18 Uhr ruft Münch zurück: Der Kreisleiter sehe von einer "Rund-um Verteidigung" ab, wolle aber eine Panzersperre bei Mittelschmalkalden anlegen lassen.

Ostersonntag, 1. April, 10 Uhr.
Jahn sucht wieder den Bürgermeister auf und weist ihn nochmals auf die Sinnlosigkeit einer Verteidigung hin, die auch
ein verantwortungsloser Missbrauch des Roten Kreuzes darstelle. Kramer erwidert:Jahn geht zu Bürgermeister Willi Kramer„Wir verzichten auf eine Rund-um-Verteidigung. Aber wenn zwei oder drei feindliche Panzer eindringen, so werden sie natürlich mit Panzerfäusten erledigt. Die weiße Flagge wird jedenfalls nicht gezeigt!"Dem Arzt wird klar, dass in den Köpfen der hiesigen Machthaber – sei es
aus Vernichtungswut oder aus Angst vor den Vorgesetzten – noch immer die
Idee einer Verteidigung spukt. Er muss vorsichtig sein. Erst am Vorabend hat
Propagandaminister Joseph Göbbels per Rundfunkaufruf verkündet: Jeder und seine Sippe zur Verantwortung gezogen, der nicht bis zum letzten
Widerstand leistet.Ein Teil der jüngeren verwundeten Offiziere wollen ebenfalls noch Kriegshelden spielen.
Sie drohen Jahn, sich ihm zu widersetzen. Auch wenn er sich als
anerkannte Schmalkalder Persönlichkeit den Mächtigen entgegenstellen kann,
wird die Situation für den Arzt zunehmend gefährlich. Im schlimmsten Falle
könnte er sofort erschossen werden.
Tatsächlich wütete das NS-Regime noch bis zum 8. Mai 1945 und ließ in den
letzten Wochen vor Kriegsende zahlreiche Todesurteile wegen Vaterlandsverrat,
Wehrkraftzersetzung oder Feigheit vor dem Feind vollstrecken. So schildert
der Schriftsteller Heinrich Thies in seinem Buch „Geh aus, mein Herz
und suche Freud", wie im niedersächsischen Ahlden der 76-jährige Arzt Dr.
Richard Ohnesorg in der Nacht zum 15. April 1945 in seinem Bett vom dortigen
Volkssturmführer und drei Soldaten erschlagen wurde. Er hatte sich offen
gegen die weitere Kriegsführung ausgesprochen. Die Täter wurden, wie viele
andere auch, nach dem Krieg nicht zur Verantwortung gezogen.
Im württembergischen Dorf Brettheim mussten ebenfalls mutige Bürger ihren
Widerstand mit ihrem Leben bezahlen. Wie der Journalist Jürgen Bertram in
seinem Buch „Das Drama von Brettheim" berichtet, verjagte am 7. April 1945
der Bauer Friedrich Hanselmann zusammen mit anderen Dorfbewohnern vier
bewaffnete Hitlerjungen, die den Ort gegen die unmittelbar anrückenden USPanzer
verteidigen wollten. SS-General Max Simon ließ Hanselmann wegen
Wehrkraftzersetzung zum Tode durch Erschießen verurteilen, doch NS-Ortsgruppenleiter
Leonhard Wolfmeyer und Bürgermeister Leonhard Gackstatter
weigerten sich, das Todesurteil gegenzuzeichnen. General Simon ordnete daraufhin
persönlich an, die drei angeblichen Volksverräter am 10. April zu er
Die kampflose Übergabe des Dorfes an die Amerikaner eine Wochedenhängen.später verhinderten die ortsansässigen Machthaber; Brettheim wurde zu über 80 Prozent zerstört.
In Schmalkalden ist gegen Mittag des Ostersonntags bereits zunehmendes Artilleriefeuer aus Südwesten zu hören. Die Dritte US-Armee hat bei Wasungen
die Werra ohne Schwierigkeiten überquert.Ostermontag,

2. April.
Jahn wird informiert, es seien am Schmalkalder Gaswerk (heutiges Viba-Gelände) mehrere geschütze in Feuerstellung gegangen,
um den Feind abzuwehren. Und wieder ruft Jahn das Wehrmachtskommando
an. Man versucht, den Arzt zu beruhigen, die Geschütze dienten
nicht zur Verteidigung, sondern sollten später von zurückweichenden Sicherungstruppen mit Richtung Osten geschleppt werden.
Der „Volkssturm" wird jetzt zur letzten Verteidigung mobilisiert.:
Verwundete sowie Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren – allesamt
mit mangelnder Ausrüstung und Kenntnis – sollen sich einer anrückenden
Armee entgegenstellen. Jahn kann diesen Wahnsinn nicht mehr ertragen.
In höchster Erregung fordert er Ortsgruppenleiter Münch auf, den Befehl für
eine Volkssturmverteidigung sofort zurückzunehmen und dies Kreisleiter
Preiser zu übermitteln. Doch dieser weilt angeblich in Suhl und sei bis in die
Nacht nicht erreichbar. Der Ortsgruppenleiter weiß nicht, was er machen soll –
und macht deshalb auch nichts. Der Volkssturm kommt nicht zum Einsatz. Die
Stadt und ihre Menschen haben noch einmal Glück gehabt.
Preiser und Landrat Recknagel verlassen Schmalkalden wie die Ratten das
sinkende Schiff. Münch versucht noch in Haindorf mit nationalsozialistischen
Parolen vom „Kampf bis zur letzten Patrone" ein paar Wagemutige zur Verteidigung
von Schmalkalden anzufeuern. Beherzte Bürger wollen ihn wegen totaler
Verkennung der Lage mit Gewalt vertreiben, doch ein junger unbekannterOffizier schickt die Leute nach Hause. Münch fährt fluchend ab. In Schmalkal
lässt er sich nicht mehr blicken.
Inzwischen haben sich auch in Mittelschmalkalden mutige Einwohner gegen
den Schmalkalder Befehl einer Volkssturmverteidigung widersetzt. Die Panzersperrenstehen zwar seit Ostersonnabend, und auch einige Gräben sind bereits ausgehoben worden, doch die wenigen bereitwilligen Verteidiger können
die Dorfbewohner schnell verjagen.denDienstag,

3. April, Mittag.
Der Bürgermeister ist im Führungsbunker unter der Gaststätte „Alter Lutherkeller". Das letzte Gespräch mit Jahn gegen 10 Uhr,
der drohende Fliegeralarm sowie die Sorge um seine in der Stadt noch wohnenden
alten Eltern haben ihn aufgewühlt. Er teilt den restlichen Leitungskräften
der Stadtverwaltung, des Roten Kreuzes, der Feuerwehr und dem NSDAPJugendführer Fritz Goos mit, dass er jetzt die Stadt bedingungslos übergeben wolle. Alle anderen NS-Führer haben sich bereits abgesetzt. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes 5 vor 12.
Zur selben Zeit fährt Christoph Reich, Besitzer einer kleinen Metallwarenfabrik
in der Näherstiller Straße, mit einer weißen Fahne in Richtung Näherstille
der anrückenden Dritten US-Armee entgegen. Tatsächlich stößt er auf einen
amerikanischen Vorposten, der von Süden über die Berge aus Richtung Dolmar
und Christes kommt – also anders als die NS-Führung vermutet, die ja
den Einmarsch im Westen bei Niederschmalkalden durch den Volkssturm bekämpfen lassen will. Reich spricht englisch, übermittelt den Amerikanern die
Nachricht von einer möglichen friedlichen Übergabe und weist ihnen – vorne
auf einem US-Spähpanzer sitzend – den Weg in die Stadt. Weitere Soldaten
rücken aus Richtung Meiningen nach Schmalkalden auf kaum noch befahrbaren
Flur- und Waldwegen vor, um nicht auf den Hauptstraßen in Hinterhalte zu
geraten oder auf Panzersperren zu stoßen.
In der Stadt ertönt Feindalarm, ein minutenlanger Heulton. Als der letzte Sirenenton verklingt, ist Minna Bamberger, Hausmeisterin des Rathauses, allein
in der Polizeistation unmittelbar neben dem Rathaus. Die Polizisten sind
verschwunden, ihr Mann Alwin rennt mit einem Schuhkarton unterm Arm,Bürgermeister Kramer sitzt im Luftschutzkellerin dem sich die wichtigsten Dokumente befinden, Richtung Luftschutzkeller.Plötzlich steht ein baumlanger Amerikaner vor ihr: „Wo Bürgermeister?" Bamberger greift flugs zum Telefon: „Herr Bürgermeister, kommen Sie schnell insbergerRathaus! Die Amerikaner
sind schon da und wollen Sie sprechen."
Gegen 15 Uhr ist Schmalkalden von den Amerikanern ohne Widerstand besetzt.
Die Übergabeverhandlungen sollen am 4. April im Rathaus stattgefunden haben.
Kramer amtierte wohl noch bis zu seiner Absetzung am18. April und soll später mit
einigen anderen NS-Größen außerhalb der Stadt erschossen worden sein. Darüber
gibt es aber bislang keine klaren Aussagen.
Am 8. Juli 1945 übernimmt die Achte Sowjetische Gardearmee den Altkreis
Schmalkalden; die Amerikaner rücken ab. Zuvor transportieren sie alle Verwundeten per LKW Richtung Westen nach Fulda.
Friedrich Jahn hat da bereits wieder seine Arbeit als Chefarzt der Inneren Abteilung
im Schmalkalder Krankenhaus aufgenommen. Noch bis 1966 im Alter
von 77 Jahren wird er dort als Arzt tätig sein.Aus dem Leben des Friedrich JahnFriedrich Karl Jahn wurde am 30. Juli 1888 in Treuen im Vogtland als Spross
einer alteingesessenen Färberfamilie geboren. Bereits 1590 hatte sein Vorfahr
Balthasar Jahn ein kurfürstliches Privileg für eine Schwarzfärberei in Oelsnitz
erhalten. Friedrichs Vater Louis Jahn (1850–1890) lebte zwischen 1869
und 1873 in Amerika und ließ sich 1879 in Treuen nieder, um hier eine eigene
Färberei zu gründen. 1882 heiratete er Magdalena Lohse (1860–1917), deren
Eltern ein Rittergut in Treuen gepachtet hatten. Das von den Jahns gebaute
Wohnhaus galt mit Zentralheizung und elektrischem Strom für die damalige
Zeit als hochmodern.
Louis Jahn starb bereits im Alter von 40 Jahren, so dass Friedrich zusammen
mit seinen beiden älteren Schwestern früh zu Halbwaisen wurde. Seine Mutter
heiratete 1894 den Stadtrat und Fabrikanten August Fischer und führte das
Unternehmen ihres verstorbenen ersten Mannes weiter.
Schon in seiner Kindheit interessierte sich Friedrich Jahn besonders für Physik,
Chemie und Biologie. In Leipzig studierte er Medizin und wurde 1914 mit
seiner Doktorarbeit „Über Jodosobenzoesäure" promoviert. Am 22. Februar
1919 heiratete er in Zwickau die Lehrertochter Martha Schönfeld (1892–1970).
Das Paar siedelte nach Schmalkalden über, wo Jahn eine Anstellung am Kreiskrankenhaus erhielt. Am 8. Januar 1920 kam ihr Sohn Herbert zur Welt, der
später als Physiker an der Kernforschungsanlage Jülich arbeitete. 1930 ließ sich
die Familie unweit vom Krankenhaus am Berghang des Schmalkalder Rötberges
ein Haus im Bauhausstiel nach den Plänen eines amerikanischen Architekten
errichten.
Am 1. November 1928 übernahm Jahn als Facharzt für Innere Krankheiten die
neu eröffnete Innere Abteilung des Krankenhauses und baute die Chirurgie
auf. Von 1949 bis 1958 leitete er als Chefarzt die Röntgenabteilung und förderte
den Einsatz neuester Geräte. Als leidenschaftlicher Forscher untersuchte er
auch in seiner Freizeit mit einem selbst entwickelten Spektrometer das Blut seiner
Patienten. Seine Forschungen zur Staublunge trugen mit dazu bei, dass diese
Erkrankung – unter denen viele Schmalkalder Werkzeugschleifer, Bergleute
und Arbeiter der Spatgewinnung litten – als Berufskrankheit anerkannt wurde.
Etliche Schmalkalder Patienten verdanken Jahn ihr Leben. So berichtete Heidi
K., dass sie 1939 als Baby mit roten Flecken übersät war. Der Hausarzt bliebratlos, in größter Not wurde Jahn zur Hilfe gerufen. Durch seine spezifischeBlutuntersuchung fand er die Ursache für Heidis Leiden: Ihre Mutter hatte sie tags zuvor mit gekochten Spargelspitzen gefüttert, deren Inhaltsstoffe sich dann lebensbedrohend auf den kleinen Organismus ausgewirkt hatten.
1956 wies Jahn in einem medizinischen Gutachten den Heilwert der Schmalkalder
Mineralwasserquellen nach, die unweit des Krankenhauses am Rande des
Flüsschens Schmalkalde sprudeln. Zusammen mit seinen ärztlichen Kollegen
Dr. Heuer, Dr. Häfner und Dr. Bauer regte er an, die Quellen zum Wohle der
Stadt medizinisch zu nutzen und ein Heilbad zu errichten. Die Initiative drang
zwar in die Planungszentrale der DDR-Regierung vor, fand aber schließlich im
Rat des Bezirks Suhl wegen Geldmangels kein Gehör. Erst 1999, zehn Jahre
nach der Wende, nahm die Stadt Jahns Idee der Heilquellennutzung wieder auf.
Eine neue Analyse zur Sicherung des Krankenhausstandorts einschließlich einer
Revitalisierung der Heilquellen liegt im Rathaus, wird aber wohl abermalswegen fehlender finanzieller Mittel nur teilweise umgesetzt werden können.Am 30. Juni 1966 wurde Jahn nach 50 Jahren Tätigkeit als Arzt im 78. Lebensjahr
aus dem Gesundheitswesen verabschiedet. Chefarzt Rudolf König betonte,
der Jubilar verdanke seine Beliebtheit nicht nur seiner aufopferungsvollen Arbeit
zum Wohle der Gesundheit vieler Menschen, sondern auch seiner Bescheidenheit
und der hohen Bereitschaft, bis zum letzten Arbeitstag stets die neuesten
wissenschaftlichen Erkenntnisse seinem Erfahrungsschatz hinzuzufügen.
Am 14. Februar 1984 starb Dr. med. Friedrich Jahn hochbetagt im Alter von 95
Jahren in Schmalkalden.

Norbert Heyer (Jahrgang 1944) ist Diplom-Lehrer im Ruhestand, war parteiloser
Stadtrat für die Bürgerinitiative Schmalkalden und beschäftigt sich schon lange
mit der Geschichte seiner Heimatstadt. Am 3. April 1945 – genau in den
Stunden des Kriegsendes in Schmalkalden – erlebte er im Luftschutzkeller im
„Alten Lutherkeller" , dort wo auch der Führungsbunker der Stadt war,seinen ersten Geburtstag.

PS. NS-Bürgermeister Kramer hat persönlich hohen Anteil daran, dass Ludwig Pappenheim (SPD) und Hermann Danz (KPD) in Konzentrationslager kamen und dort ermordet wurdet. N.H.

Schmalkalden, am 5. September 2015  Ehrung für Carl Wilhelm  von N. Heyer
Hören Sie zu Beginn 2 kurze Einspielungen aus 2 sehr bekannten Werken von C. W.
Zuerst aus seinem preußischen Armeemarsch Nr. 53, der auch heute noch im Liederbuch der Bundeswehr enthalten ist.
Danach einige Akkorde aus „Der Wacht am Rhein“.

 Sehr verehrte Bürgerinnen und Bürger von Schmalkalden, werte Gäste!

Ich begrüße Sie herzlich im Namen des Freundeskreises C.W. sowie der Stadt und des Schmalkalder Sportlerchores Bergfreunde zu dieser kleinen Gedenkfeier anlässlich des 200. Geburtstages von Carl Wilhelm.
Wir möchten an unseren Ehrenbürger erinnern, der am 5. Sept. 1815 in diesem Haus geboren wurde.
Zu dieser Zeit ahnte noch niemand, welchen bedeutsamen  Weg der Junge aus einer einfachen kleinbürgerlichen Familie gehen wird.
Bereits in die Wiege gelegt bekam er doch schon wichtige menschliche Eigenschaften wie Bescheidenheit, Ehrlichkeit, Hilfsbereitschaft, Sparsamkeit, viel Fleiß, Liebe zur Natur und Achtung seiner Mitmenschen.
Ganz besonders aber die Liebe zur Musik. Sein Vater, Georg Friedrich, war damals in Schmalkalden gut bekannt. Als Stadtmusikus, Ratshauswirt und Musikdirektor der Bürgergarde. Natürlich lernte Sohn Carl frühzeitig Noten, Klavier, Geige und das Orgelspiel.
Und die Musik sollte Carl Wilhelm  dann auch sein Leben lang begleiten und seinen  Unterhalt sichern.
Doch Schmalkalden war für das junge Talent zu klein. Er durfte in unserer damaligen Landeshauptstadt Kassel mit Unterstützung, durch Verwandte bei dem hochgeschätzten Hofkapellmeister Ludwig Spohr lernen, bei Hofmusikus Anton Bott und Kantor Baldewein. Alle waren  bekannte und berühmte Leute zu dieser Zeit.
Später lernte er weiter in Frankfurt/M. und zog dann mit 25 Jahren auf lange Zeit nach Krefeld, wo ihm gute Freunde den Weg in die höheren Musikkreise ermöglichten
C.W. wurde ein bekannter Musiker, Musiklehrer, Chorleiter, Komponist und Kapellmeister. Über 200 musikalische Werke sind heute noch von C.W. erhalten
Das wohl bekannteste seiner Werke ist die Komposition „Der Wacht am Rhein“, die ihm ab 1854 bis zu seinem Tode Ruhm und Ehre einbrachte.
Ein Jahr zuvor  war er dem Bund der Freimaurer beigetreten, einer Bewegung von humanitärer und toleranter Gesinnung. Er steht mit in der Weltliste berühmter Freimaurer wie Mozart, Hayden, Heine List oder Goethe.Goethe,
Es war die Zeit, wo der deutsche Nationalgeist noch relativ gesund war und der Jubel in ganz Deutschland seiner mitreißenden Komposition galt. In einer Zeit, wo im Lande große Not und Bedrängnis herrschten, wurde das Lied ebenfalls zu einer nationalen Hymne.
Und so geschah es auch, dass C.W. 1865 in Dresden beim 1. Dt. Sängerbundfest  „Die Wacht am Rhein“ für 20.000 Sängern dirigieren durfte.
Bereits 1841 hatte Heinrich .Hoffmann von Fallersleben das Lied der Deutschen, unsere spätere Nationalhymne, erschaffen.

Beide Musiker waren miteinander gut befreundet und unterstützten sich gegenseitig. Beide  erfuhren aber auch in späterer Zeit,  wie ihr gutes Werk leider für einen schlechten und falschen Nationalismus missbraucht wurde.
Carl Wilhelm wurde für seine Leistungen vom Kaiserhaus hoch geehrt, wurde auch für sein umfangreiches Schaffen zum „Königl.-preuß. Musikdirektor“  ernannt und erhielt in seiner Heimatstadt Schmalkalden die Ehrenbürgerschaft.
Auch die Städte Köln, Cleve, Neuß, Aachen oder Nürnberg erlebten bei ihren großen Sängertreffen C.W. als hochbegabten Musiker und Chorleiter.
Er hatte persönlichen Kontakt mit  Johannes Brahms, Robert und Klara Schumann, Felix Mendelsohn Bartholdy, Franz List u.a. bekannten Künstlern seiner Zeit.
Ein Nervenleiden zwang ihn sehr früh, öfter auszuruhen, Mit zunehmender Krankheit zog er sich mehrmals nach Schmalkalden zurück und leitete aber trotzdem auch hier den bestehenden Chor Liederkranz.
Er trat auf den Sälen der Stadt, auch im Rathaus, in der Stadt  Meiningen im Theater  oder auch in Bad Salzungen auf.
Immer bescheiden, heimat-und naturverbunden, meist frohgesinnt aber auch zunehmend leidend lebte er bis zu jenem Tag, als er mir 56 Jahren den ersten Schlaganfall erlitt und sich trotz großer Mühen nicht wieder erholte.
So starb er dann als gebrochener Mann, alleine, ohne Familie und eigene Nachfahren im Jahre 1873 hier in seiner Heimatstadt.
Bewahren wir unserem C.W. ein würdiges Gedenken, geben wir es mit Wort und Gesang auch an unsere jüngeren Bürger weiter.
Der Chor der Schmalkalder Bergfreunde wird ihm zu Ehren einige seiner Lieder vortragen. Dafür sage ich bereits jetzt einen herzlichen Dank.   Erfreuen Sie sich an diesen wunderschönen Melodien!